
„Juliregen nimmt den Erntesegen“ – die alte Bauernweisheit besagt es: Kaum eine Branche ist so abhängig von Witterung und Klima wie die Landwirtschaft. Wissenswertes über die Wetterphänomene unseres Kontinents.
Das Islandtief – Wind und Regen
Raue Landschaft, wilde Ponys, warme Quellen, unberechenbare Vulkane – sie prägen Island. Eine Insel, die durch ihre geografische Lage das Wetter in ganz Mitteleuropa mitbestimmt. Und nicht nur das. Islands Wetter hat Weltgeschichte geschrieben. Denn genau genommen hat die französische Revolution nicht 1789 in Paris begonnen, sondern sechs Jahre zuvor in Island mit dem Ausbruch des Laki, einem der größten dokumentierten Vulkanausbrüche weltweit. Die große, zähe Aschewolke, die bei den Eruptionen entstand, zog Richtung Mitteleuropa und reduzierte dort über mehrere Jahre die Sonneneinstrahlung. Die Temperaturen sanken. Eine ganze Serie von kalten Sommern mit katastrophal schlechten Ernten setzte ein. Überall kam es zu Hungerrebellionen. In Frankreich überfielen die Menschen Waffenarsenale. Eines davon war – am 14. Juli 1789 – die Bastille in Paris. Startschuss der französischen Revolution.
Auch heute noch ist die moderne Landwirtschaft vom Wetter abhängig. Allerdings können Landwirte mittlerweile besser darauf reagieren. Durch ein großes meteorologisches Datenangebot ist es vorhersehbarer geworden. Schon kleinste Veränderungen werden laufend erfasst und veröffentlicht – und leisten somit einen entscheidenden Beitrag zum landwirtschaftlichen Erfolg. Schließlich genügt ein kurzer Regenschauer, um eine gesamte Heuernte zu beschädigen. Regnet es auf das Heu, werden wertvolle Nährstoffe ausgewaschen. Außerdem bilden sich innerhalb kurzer Zeit Bakterien und Pilze, die am Ende mit eingefahren werden.
Wetterextreme durch Klimawandel
Besonders extreme Wetterlagen wie Dürre, Hagel, Sturm, Frost oder Dauerregen können der Landwirtschaft binnen Stunden, Tagen oder wenigen Wochen erheblichen Schaden zufügen. Durch klimatische Veränderungen könnten diese in Zukunft häufiger auftreten. So wurde bei 68 Prozent von 131 rund um den Globus aufgetauchten extremen Wetterereignissen, wie zum Beispiel schwere Gewitter mit Hagel in Südwestdeutschland und Norditalien, ein Einfluss des Klimawandels nachgewiesen. Extremereignisse werden also vielfach schon heute vom Klimawandel beeinflusst. Für Landwirte gewinnt die für die Branche entwickelte Agrarmeteorologie daher immer mehr an Bedeutung. Sie liefert zusätzlich wichtige Informationen über Bodentemperatur und -feuchte, Frosteindringtiefe, Verdunstung, Tau und Blattbenetzung. Anhand dieser Informationen können Landwirte den optimalen Zeitpunkt für ihre Arbeiten wählen: von der Bestellung der Felder über Pflanzenschutzmaßnahmen, Düngung, Bewässerung bis hin zur Ernte.
Island beeinflusst allerdings auch heute noch die Qualität der Ernten in ganz Mitteleuropa. Denn im äußersten Nordwesten entstehen Europas größte Tiefdruckgebiete: die Islandtiefs. Heizt die Sonne den Erdboden und die darüber liegenden Luftschichten auf, steigt die erwärmte Luft nach oben. Der Luftdruck oben steigt, während am Boden ein Tiefdruckgebiet entsteht. Beim Aufsteigen kühlt die erwärmte Luft aber wieder ab. Dadurch kann sie den Wasserdampf nicht mehr halten. Aus dem unsichtbaren Dampf bilden sich sichtbare Wolken, es folgen Regenschauer. Wochenlanger Niederschlag, tiefgraue Wolken und Wind sind dann keine Seltenheit. Und eine schlechte, verregnete Ernte ist oft das Ergebnis.
Strahlender Sonnenschein – das Azorenhoch
Ein Hochdruck ist der Umkehrfall des Tiefdrucks. Beide hängen unmittelbar zusammen und gestalten gemeinsam unser Wetter. In den Hochdruckgebieten sinken die Luftmassen und erwärmen sich. Wolken lösen sich auf, der Himmel ist blau und die Sonne scheint. Dabei gibt es rund um den Globus große Hoch- und Tiefdruckgebiete, die wie Zahnräder ineinandergreifen und das Wettergeschehen über längere Zeit bestimmen können. Der Gegenspieler vom Islandtief ist das Azorenhoch. Streckt es im Sommer seine Fühler nach Mitteleuropa aus, gibt es dort Sonne satt.
Sandstrände, tiefblaues Meer, viel Sonne, exotisch und bunt – so stellt man sich die neun kleinen portugiesischen Inseln vor. Und so sind sie auch – manchmal. Denn dort, wo die großen Hochs für ganz Europa entstehen, sieht es häufig anders aus. Stürme, Starkregen, Überschwemmungen und durch Wassermassen ausgelöste Erdrutsche – all das ist keine Seltenheit. Kein Wunder, denn die Azoren liegen genau zwischen den USA und Südeuropa im rauen Atlantik. Der richtige Ort für spannendes Wetter: starke Winde und Regenfällen wechseln sich in rasantem Tempo ab mit blauem Himmel und Sonnenschein. Auf den Azoren wird die feuchte Ozeanluft gegen die Berge gedrückt, wo sie aufsteigt und kondensiert. Es bilden sich dichte Regenwolken. Und nach dem Regen strahlt die schöne Landschaft der Insel wieder im Sonnenlicht.
Aber warum entstehen gerade über den Azoren Europas größte Hochdruckgebiete? Mitverantwortlich ist die Corioliskraft. Warme Luft steigt am Äquator auf. Doch die Erde dreht sich. Ein Punkt am Äquator legt 40.000 Kilometer am Tag zurück, während ein Punkt in Frankfurt nur etwa 25.000 Kilometer schafft. Je weiter also Äquatorluft nach Norden kommt, umso langsamer scheint sich die Erde unter ihr zu drehen. Die Luft eilt ihr voraus und wird so nach rechts abgedrängt. Immer weiter nach Nordosten bis sie etwa auf Höhe der Azoren an Kraft verliert und nicht mehr weiter kommt. Die Luft wird nun, da vom Äquator ständig Nachschub kommt, nach unten gedrückt. Dort steigt deshalb der Luftdruck – es entsteht ein Hochdruckgebiet. Teilweise so groß, dass es sich über ganz Mitteleuropa ausbreitet und uns sonniges Wetter beschert – und eine gute Ernte. Gemäß der alten Bauernregel: „Juli, schön und klar, gibt ein gutes Erntejahr.“