
Bananen aus Island, Gurken aus der Antarktis oder Salat aus der eigenen Küche: Klimagewächshäuser revolutionieren den Anbau von Obst und Gemüse.
Es werden die einsamsten Tomaten der Welt sein. 600 Kilometer über der Erde sollen sie sprießen. In der künstlichen Atmosphäre eines Satelliten. Die Forscher wollen hier herausfinden, wie Tomatenpflanzen in einem geschlossenen System gedeihen, das abwechselnd die Schwerkraft von Mond und Mars simuliert. Nur, wie die Tomaten schmecken, wird nie jemand herausfinden. Denn am Ende der einjährigen Mission wird der Satellit in der Atmosphäre verglühen.
Herkunftsland: Mond
Wenn Menschen auf dem Mond oder dem Mars leben wollen, sind sie darauf angewiesen, möglichst viel Nahrung selbst zu produzieren. Noch bis Frühling 2020 rotiert der Satellit Eu:CROPIS (Euglena Combined Regenerative Organic Food Production in Space) des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) in einer Erdumlaufbahn, um zu testen, ob das möglich ist. „Wir simulieren letztendlich Gewächshäuser, die auf Mond oder Mars in einem Habitat stehen könnten. Vor Ort sollen sie frische Lebensmittel liefern, indem sie in einem geschlossenen System Abfälle kontrolliert in Dünger umwandeln", sagt DLR-Biologe Dr. Jens Hauslage, der die Mission wissenschaftlich leitet.
Zahlen & Fakten
Milliarden Menschen leben heute auf der Erde. Im Jahr 2050 die Weltbevölkerung auf 9,8 Milliarden Menschen wachsen.
Quadratmeter groß soll ein Treibhaus in Island werden, in dem jährlich bis zu 5.000 Tonnen Tomaten für britische Supermärkte angebaut werden sollen
Erkenntnisse auch für die Erde
„Die Experimente an Bord von Eu:CROPIS werden wichtige Ergebnisse liefern, um ein Überleben der Menschheit in lebensfeindlichen Räumen zu ermöglichen - sei es im Weltraum oder auf der Erde", sagt Dr. Jens Hauslage. So könne man mit Rieselfiltern Gülle umwandeln und diese effektiver und geruchsärmer einsetzen. Auch das Recycling von Urin in städtischen Ballungsräumen, beispielsweise für Gewächshäuser in Hochhäusern, sogenannte Vertical Farms, wäre eine mögliche Anwendung. Denn: Die Weltbevölkerung wächst – laut Vereinten Nationen von heute rund 7,6 Milliarden auf 9,8 Milliarden Menschen im Jahr 2050. Mehr als drei von vier Menschen werden dann in Städten leben. Gleichzeitig schrumpfen durch Bebauung einerseits und Versteppung andererseits die landwirtschaftlichen Anbauflächen. Wasser wird knapp. Effektive und innovative Lösungen wie nachhaltige Klima-Gewächshäuser sind in Zukunft ein Teil der Lösung.
Alles, was Tomaten zum wachsen brauchen
Für den Dünger bei Eu:CROPIS sollen Mikroorganismen sorgen. Ausgangsmaterial ist ein Stoff, der bei einer bemannten Raummission zwangsläufig anfällt: Urin. Bei Eu:CROPIS wird es künstlicher sein. Augentierchen – der Einzeller Euglena – sollen das geschlossene System vor überschüssigem Ammoniak schützen und zudem Sauerstoff liefern. Ein Drucktank sorgt für eine Atmosphäre wie auf der Erdoberfläche, das LED-Licht wird im Tag- und Nachtrhythmus geschaltet.
Gärtnern in der Antarktis
Dass sie in lebensfeindlicher Umgebung Gemüse produzieren kann, beweist die DLR derzeit in der klirrend kalten Eiswüste der Antarktis, in der für ein halbes Jahr Polarnacht herrscht. Am südlichsten Ende der Welt, an der Neumayer-Station III des Alfred-Wegener-Instituts, gedeihen im EDEN ISS-Labor gerade die ersten selbstgezüchteten Gurken, Tomaten und Paprika. Die Gebäudehülle hält die extremen Temperaturen von bis zu Minus 45 Grad und die Stürme draußen. Die Pflanzen wachsen unter künstlichem Licht in einer Nährlösung. Das Wasser wird recycelt. Es verlässt den Container nur in den geernteten Lebensmitteln.
Ideale Wachstumsbedingungen
Eine erste Ernte hat DLR-Wissenschaftler Paul Zabel, einer von neun Überwinterern auf Neumayer III, im Mai eingefahren. Inzwischen sind es auf einer Anbaufläche von rund 13 Quadratmetern im Schnitt 740 Gramm Tomaten, 1,8 Kilogramm Gurken und 400 Gramm Kohlrabi pro Woche. Dazu verschiedene Kräuter, Salate und Radieschen. Die Pflanzen wachsen schneller als unter normalen Bedingungen, da sie mehr Licht und Kohlenmonoxid bekommen. Alle fünf Minuten werden die Wurzeln computergesteuert mit einer Nährstofflösung und Wasser besprüht. „Aeroponik“ heißt das Verfahren ohne Erde. Die Wurzeln sind deutlich größer als bei vergleichbaren Pflanzen. Die Methode ist auch gut geeignet für Wurzelgemüse wie Kartoffeln und Karotten.
Bananenplantage auf Island
Nicht ganz so extrem wie in der Antarktis sind die Bedingungen auf Island, dem „Eisland“. Dafür wird auf der Insel der Vulkane, Gletscher und Geysire bereits für den Markt produziert. Und wir sprechen nicht von Wintergemüse wie Steckrübe oder Pastinake. Es geht durchaus um mediterranes Gemüse oder Südfrüchte. Auch Bananenstauden wachsen knapp unterhalb des Polarkreises. Und das liegt an den Vulkanen und Geysiren.
Isländisches Gemüse für den Export
Seit fast 100 Jahren nutzen die Isländer Geothermie als Wärmequelle für ihre Treibhäuser. In letzter Zeit lässt zusätzlich künstliches Licht die Ernte steigen. Fast 70 Prozent des auf Island verzehrten Gemüses – Kartoffeln, Gurken, Tomaten, Rüben, Pilze, Karotten, Salat, Paprika, Kohl, Brokkoli und Blumenkohl – stammen aus heimischem Anbau, sagte Katrin Maria Andresdóttir, Vorsitzende der Isländischen Vereinigung der Erwerbsgartenbauproduzenten (Icelandic Association of Horticulture Producers), der „Zeit“. Investoren wollen die Gewächshausbranche nun sogar ausbauen und in Island Agrarprodukte für den Export erzeugen. So ist etwa ein 50.000 Quadratmeter großes Treibhaus geplant, in dem jährlich bis zu 5000 Tonnen Tomaten für britische Supermärkte angebaut werden sollen. Ein niederländisches Unternehmen möchte sogar Gewächshäuser auf 15 Hektar errichten, um 13.500 Tonnen Tomaten im Jahr zu ernten.
Salat aus der eigenen Küche
Für den Eigengebrauch gedacht ist die Ernte aus dem „Gewächsschrank“. Einige Start-ups beschäftigen sich derzeit mit dem Treibhaus für Zuhause. Zum Beispiel liefert ein Hersteller neben dem Pflanzkasten auch Saatmatten mit Salaten und Kräutern als Komplettpaket. Ein anderes Modell soll auch mit regulärem Saatgut funktionieren. Quasi zwischen Herd und Kühlschrank kann der Hausgärtner sein Grünzeug sprießen lassen – und per App verfolgen, wie es den Pflanzen geht und wann sie geerntet werden können.