
Die Blockchain ist durch Kryptowährungen wie Bitcoin bekannt geworden. Die Technologie kann auch Wertschöpfungsketten in der Landwirtschaft transparenter machen – vom Erzeuger über Zwischenhändler bis zum Verbraucher.
Ist der Fisch auf dem Teller wirklich aus Wildfang und nicht aus einer Aquakultur? Ist das für die Milchkühe gelieferte Soja-Futter wirklich gentechnisch unverändert? Sind die Äpfel im Supermarkt wirklich aus Neuseeland und wirklich Bio? Immer häufiger fordern Landwirte, Händler oder Endverbraucher verlässliche Herkunftsnachweise und lückenlos verfolgbare Frachtwege bei Lebensmitteln. Entsprechende Zertifizierungen sind alles andere als leicht, denn oft sind die Produkte weit gereist und durch entsprechend viele Hände gegangen. Unter Umständen kommen da Zehntausend Frachtreise-Kilometer zusammen und zuweilen an die 50 und mehr Zwischenstationen: Lagerhäuser, Lebensmittelverarbeiter, Logistiker, Groß- und Einzelhändler. Die langen Wege und vielen Verarbeitungsschritte führen zu viel Anonymität in der Wertschöpfungskette.
Was also tun, wenn Weiterverarbeiter oder Verbraucher wissen wollen, welche Bestandteile aus Bio-Landwirtschaft stammen, ob sie fair gehandelt werden und wie überhaupt sichergestellt ist, dass in den Säcken, Kisten und Packungen drin ist, was draufsteht? Wer kann in einer globalisierten Warenwirtschaft für Herkunftsnachweise und transparente Frachtwege garantieren und für die Einhaltung von Qualitäts-Standards bürgen?
Blockchain-Technologie schafft Transparenz
Eine sehr zukunftsträchtige Antwort auf diese Fragen ist die Nutzung der Blockchain-Technologie auch in Landwirtschaft und Handel. Einer breiteren Öffentlichkeit ist diese Technologie vor allem aus dem Umfeld digitaler Krypto-Währungen wie Bitcoin bekannt. Tatsächlich lässt sich die Blockchain aber überall da einsetzen, wo digitale Prozesse und Transaktionen so gestaltet werden sollen, dass sie für alle Teilnehmer nachvollziehbar sind. Ein eventueller Fälschungsversuch eines Akteurs in der Prozesskette wird dann zuverlässig aufgedeckt.
Ein paar Details sind zur Erklärung nötig: Die Blockchain-Technologie definiert eine Datenbankstruktur, bei der eine Transaktion erst dann unabänderlich eingetragen ist, wenn über die Hälfte der beteiligten Akteure wie etwa Produzenten, Frachtunternehmen, Händler oder Banken zugestimmt haben. Der prozentuale Anteil variiert in den bisherigen Implementierungen, liegt aber immer über 50 Prozent. Sobald ein Eintrag so vorgenommen ist, kann er nicht mehr verändert werden. Damit bildet die Blockchain eine Kette des Vertrauens, die alle Akteure auf ihren Rechnern gespeichert haben. Dank der dezentralen Ablage müssen die einzelnen Zustimmungen der Beteiligten nicht zentral verwaltet werden. Übergeordnete Instanzen, beispielsweise ein Notar, eine Behörde oder ein Zertifizierungsunternehmen, sind nicht mehr nötig. Auf diese Weise können Produkte trotz ihrer teilweise sehr langen Wege zum Verarbeiter oder Endverbraucher und trotz der vielen Zwischenstationen hinsichtlich Herkunft und Frachtwege schnell und genau erfasst werden. Über die dezentrale Datenbankstruktur lassen sich Herkunft und Frachtwege so dokumentieren, dass die entsprechenden Informationen für jeden Akteur auf dem eigenen Rechner eingesehen und dezentral überprüft werden können. Niemand kann die Daten nachträglich manipulieren.
Landwirtschaft 4.0 auf den Höfen angekommen
Die Blockchain-Technologie hat quasi den Faktor Vertrauen in den Prozess selbst integriert, dieser muss nicht von außen zugeführt werden. Damit kann sie die Digitalisierung in der Landwirtschaft und in den globalen Handelsströmen entscheidend voranbringen.
Landwirte, Logistiker, Händler und Verbraucher können von der Blockchain-Technologie stark profitieren. Umfragen der Research-Abteilung des IT-Branchenverbands Bitkom e.V. zeigen, dass die digitalisierte Landwirtschaft auf den Höfen längst angekommen ist. So setzt deutlich mehr als die Hälfte der befragten Landwirte schon heute auf digitale Anwendungen in Hardware, wie GPS-gesteuerte Landmaschinen, und Software wie digitales Farmmanagement. Für 2030 prognostizieren die Landwirte in der Bitkom-Studie fahrerlose landwirtschaftliche Maschinen mit einem Anteil von 49 Prozent, autonome Feldroboter mit 43 Prozent, digitales Farmmanagement mit 44 Prozent und autonome Drohnen mit einem Anteil von 45 Prozent.
Mittlerweile hat der Arbeitskreis Blockchain ein Studienprojekt „Blockchain Tech in Deutschland“ angestoßen, das die Bitkom Research GmbH realisiert. Projektstart war im Juli 2018. Die Studie soll zum einen den Status Quo, zum anderen aber auch die Entwicklungslinien und die Auswirkungen von Blockchain und ähnlichen Ansätzen mit dezentralen, „verteilten“ Datenbanken (auch Distributed Ledger-Technologien genannt) in Deutschland aufzeigen.
Blockchain revolutioiert Agrarhandel
Blockchain- und Distributed-Ledger-Technologien schaffen nicht nur neue Möglichkeiten bei Herkunftsnachweis und Frachtverfolgung, sondern auch bei großen Handelsgeschäften, besonders mit landwirtschaftlichen Produkten.
Beim globalen Soja-Handel wurden bereits erste Geschäfte auf Blockchain-Basis abgewickelt. Dabei waren Verkäufer, Käufer, Regierungs- und Zertifizierungsstellen sowie die Banken, die die Transaktion auf Verkäufer- und auf Käuferseite finanziell begleiten, in der Blockchain „zusammengebunden“. Nach Aussage der beteiligten Unternehmen konnten sie durch die Blockchain die aufzuwendende Zeit für den komplexen Vorgang, der durch den Austausch vieler zu beglaubigender Dokumente gekennzeichnet ist, von bisher fünf bis zehn Tagen auf 24 Stunden reduzieren.
Egal ob mehr Transparenz für den Endverbraucher oder deutliche Einsparungen bei Prozesszeiten und Kosten: Blockchain- und Distributed-Ledger-Technologien könnten die Zukunft von Landwirtschaft und Handel entscheidend prägen.