
Die Digitalisierung ist in aller Munde. Da, wo es nicht jeder vermuten würde, ist die Technik tatsächlich schon sehr weit fortgeschritten: in der Landwirtschaft. Smart Farming und damit die digitale Agrarrevolution bringen zahlreiche Vorteile auf’s Feld. Die Präzisionslandwirtschaft profitiert von selbstfahrenden Traktoren, die Felder so exakt bestellen wie nie zuvor – auf Basis digitaler Vernetzung aller Systeme und Big Data.
Zahlen & Fakten
Meter Durchmesser von Flügelspitze zu Flügelspitze umfasst die derzeit weltweit größte Agrardrohne, der Agronator.
Kilogramm Nutzlast kann der Agronator tragen.
Laut einer repräsentativen Bitkom-Umfrage nutzen heute schon 53 Prozent der Bauern hierzulande Digitaltechnik. Kein Wunder: Sensoren und Roboter in Ställen oder GPS gesteuerte Maschinen und Drohnen auf und über Feldern eröffnen viele neue Möglichkeiten für eine effizientere und ressourcenschonendere computergestützte Landwirtschaft. Vier von zehn Landwirten in Deutschland nutzen Landmaschinen mit digitalen Systemen. Bei der Robotertechnik im Stall sind es 37 Prozent. Als hauptsächliche Vorteile genannt werden Arbeits- und Zeitersparnis, aber auch bessere Wettbewerbsfähigkeiten, höhere Effizienz und eine geringere Umweltbelastung.
Digitale Feldwirtschaft
Mit zunehmender Mechanisierung und Automatisierung ist der Ackerbau immer effizienter geworden. Moderne Mähdrescher sind schon länger richtige Fabriken auf Rädern. Sie ernten, separieren und reinigen die Feldfrüchte weitgehend vollautomatisch. Doch der Einsatz von Computertechnik im Smart Farming geht schon einen Schritt weiter. Hier spielen mehrere Faktoren zusammen. Sensoren sammeln alle relevanten Daten über Bodenbeschaffenheit, Wasserbedarf, Stand des Pflanzenwachstums und vieles mehr. Computer werten diese Daten aus und geben die entsprechenden Befehle an die Landmaschinen, die Satelliten gestützt über den Acker fahren. In manchen Fällen passiert das in Echtzeit. Was der Sensor am Traktor misst, entscheidet sofort über die Düngerabgabe. Die digital vernetzten Maschinen werten riesige Datenmengen präzise aus – so steht dem Landwirt das gesamte landwirtschaftliche Wissen zur Verfügung. Smart meint also das optimale Zusammenspiel von Mensch und Maschine, von Boden, Tieren und und Pflanzen. Feldroboter, die selbstständig über die Felder patrouillieren, Unkraut entfernen und Saatgut, Dünger oder Pflanzenschutzmittel ausbringen, sind schon längst über die Erprobungsphase hinaus. Die weltweit größte Agrardrohne ist derzeit der Agronator mit einem Durchmesser von 4,60 Metern von Flügelspitze zu Flügelspitze und trägt eine Nutzlast von 30 Kilogramm. Mit derartigen Drohnen lassen sich etwa Schädlingsbefall und Unkraut frühzeitig entdecken und exakt an der betroffenen Stelle – gewissermaßen minimalinvasiv – bekämpfen. Auch Aussaat und Düngung lassen sich im GPS-gestützten Ackerbau bis auf einzelne Teilflächen hin abstimmen – eine echte Präzisionslandwirtschaft, die ohne Digitalisierung unmöglich wäre.
Der Mensch denkt, GPS lenkt
Was im Straßenverkehr noch Zukunftsmusik ist, hat sich in der Landwirtschaft bereits bewährt: GPS-gesteuertes Fahren. Dank moderner Lenksysteme, die auf Geodaten zurückgreifen, bleiben Maschinen genauer in der Spur, als sie ein Mensch lenken könnte. Die Abweichungen liegen im Bereich von ein bis zwei Zentimetern. Das ist ein entscheidender Vorteil insbesondere bei wiederholten Traktorfahrten über das Feld, beim Pflügen und Säen wie beim Düngen oder Ernten. Mit Computerhilfe ernten Mähdrescher effizienter und schöpfen ihr Potenzial besser aus, wenn sie vom Laserscanner oder GPS-System geführt immer zentimetergenau an der Bestandskante arbeiten. Auf diese Weise werden nicht nur unnötige Überfahrten und Ertragsverluste vermieden, die präzise Lenkung entlastet auch den Fahrer, der sich besser auf die anstehende Feldarbeit konzentrieren kann. Die Maschinensteuerung beim Smart Farming hat entscheidende Vorteile: reduzierte Arbeitszeiten gerade in arbeitsintensiven Phasen, niedriger Energieverbrauch, geringerer Einsatz von Betriebsmitteln – und damit langfristige Kostensenkungen.
Smarter Wetterbericht
Bei aller Modernisierung: Landwirtschaft findet zum großen Teil unter freiem Himmel statt. Auf das Wetter hat der Landwirt keinen Einfluss, umso mehr Einfluss hat das Wetter auf die Landwirtschaft. Heute liefern ein enges Netz an Wetterstationen und Computer gestützte Prognosen eine Fülle agrarspezifischer Wetterdaten, die auch stundengenaue Vorhersagen ermöglichen. So gehen die Wetterdaten ein in den großen Datenpool, der den Landwirt dabei unterstützt, die richtigen Entscheidungen zu treffen.
IQ im Stall
Ob Futterautomaten, Melkroboter oder sensorgesteuerte Klimaführung – auch in Ställen hat die Digitalisierung schon vor Jahren Einzug gehalten. Vor allem in der Milchwirtschaft werden häufig automatisch Daten zu Gewicht, Melkzeiten oder Milchmengen erfasst, die sogar ein tierindividuelles Monitoring ermöglichen. Automatische Melksysteme erhöhen die Milchmenge um durchschnittlich sieben Prozent. Dabei erkennt der Landwirt mit einem Blick auf sein Smartphone oder Tablet, wenn ein Tier Änderungen im Verhalten zeigt oder brünstig wird. Es lassen sich auch Frühwarnsysteme installieren, die Krankheiten rechtzeitig entdecken und den Halter umgehend alarmieren – noch ehe er selbst die ersten Symptome bemerkt. Bei entsprechender Einrichtung erleichtert der Kuhstall 4.0 also nicht nur dem Milchviehhalter die Arbeit, sondern trägt auch zur Verbesserung des Tierwohls bei.
Bauern im Büro
Selbstverständlich ist die moderne Landwirtschaft auch Büroarbeit – sei es Verwaltung und Buchführung, sei es Düngeplanung oder die Futterberechnung. Je nach Betriebsart müssen die Maschinenauslastung erfasst, der Bestand an Futter- oder Düngemitteln errechnet, Bestellungen aufgegeben oder Kosten ermittelt werden. Für diese normalen betriebswirtschaftlichen Vorgänge nutzen viele Bauern Software, die speziell für die Anwendung in Agrarbetrieben konzipiert ist und meist auch als Smartphone-App zur Verfügung steht. Für beinahe jede landwirtschaftliche Ausrichtung oder Organisationsform gibt es ein spezielles digitales Farmmanagement-System.
Vernetzte Agrarsoftware
Erst die Integration der einzelnen Komponenten, also die Vernetzung der verschiedenen digitalen Angebote macht Smart Farming zu einer wirklich smarten Technologie, die sämtliche ihrer Möglichkeiten ausschöpft – etwa dass der „Stall“ selbsttätig dem „Büro“ meldet, dass eine bestimmte Futterkomponente zur Neige geht, und daraufhin automatisch die entsprechende Bestellung vorbereitet wird. Voraussetzung hierfür ist, dass alle Komponenten ineinandergreifen und die Software auf dem Hof den Traktor auf dem Feld „versteht“ und die von ihm gesendeten Daten automatisch erfassen kann. Und eine weitere Voraussetzung jenseits von Kompatibilität und Systemfähigkeit gibt es: Richtig funktionieren wird eine ausgereifte Landwirtschaft 4.0 erst, wenn auch in ländlichen Gegenden die Infrastruktur daraufhin ausgelegt wird, sprich wenn dafür leistungsfähigen Breitbandverbindungen zur Verfügung stehen.
Sichere Systeme
Viel diskutiert wird auch in diesem Bereich die Frage der Datensicherheit. Je größer die Datenmenge, die durch Vernetzung zustande kommt, desto größer ist der Nutzen, der sich aus der Analyse ziehen lässt. Das ist die eine Seite. Auf der anderen Seite will und muss jeder Landwirt die Hoheit über seine Daten behalten, handelt es sich doch um Betriebsdaten, die für die Wettbewerbsfähigkeit entscheidend sein können. Hier Rechtssicherheit zu stiften und praktikable Lösungen zu finden, ist also auch eine Aufgabe, an der mit Hochdruck gearbeitet wird.