
Zuhause ist ein Ort der Ruhe, des Rückzugs und des Wohlbefindens. Zumindest sollte er das sein. Leider kommt es häufiger vor, dass Menschen durch ihr Zuhause krank werden. Manchmal ist die Ursache unsichtbar: Es kann an Schadstoffen in der Raumluft liegen. Wir sprachen mit der Ingenieurin Stephanie Güttinger über gesundes Bauen und Modernisieren. Ihr Fachgebiet ist die Beurteilung von Raumluft, Baumaterialien und Einrichtungsgegenständen.
Frau Güttinger, bei manchen Menschen dauert es Jahre, bis man herausfindet, dass das Wohn- oder Arbeitsumfeld die Ursache ihrer Beschwerden ist. Woran liegt das?
Wenn ein Haus oder eine Wohnung frisch gestrichen sind, riecht man das. Aber die meisten Stoffe, die Allergien oder andere gesundheitliche Probleme auslösen können, sind für uns nicht wahrnehmbar. Daher ist die Wohnung meistens der letzte Ort, um nach Ursachen zu suchen, wenn sich Menschen nicht wohl fühlen.
Aber die Fälle häufen sich. Woran liegt das?
Verschiedenste Baustoffe oder Holzschutzmittel, Farben und Kleber sind auch früher verwendet worden. Aber seit der Einführung der Energieeinsparverordnung werden unsere Gebäudehüllen immer dichter. Es findet kaum noch ein Luftaustausch statt, insbesondere dann nicht, wenn auf eine Lüftungsanlage verzichtet wird. Dazu kommen oft große Fenster, die viel Sonnenlicht hereinlassen. Das führt aber auch dazu, dass manche Baustoffe stärker ausdünsten und dabei schädliche Stoffe freisetzen. Das sind flüchtige organische Verbindungen wie etwa Formaldehyd. All das spielt sich im Mikrogramm-Bereich ab und lässt sich nur mit den sensiblen Messmethoden nachweisen, die uns heute zur Verfügung stehen. Aber selbst diese geringen Mengen an Schadstoffen haben auf Dauer einen Einfluss auf den menschlichen Organismus.
Was kann man dagegen tun?
Leider werden wir häufig erst dann gerufen, wenn das Kind schon in den Brunnen gefallen ist, sprich, wenn der Hausbau oder die Sanierung abgeschlossen sind. Dann können wir natürlich genau nachweisen, welche Stoffe sich in der Raumluft befinden und welche Baustoffe dafür verantwortlich sind. Aber das kann eben zum Beispiel auch zur Folge haben: Das Parkett muss wieder raus. Das ist ärgerlich und häufig mit hohen Kosten verbunden.
Die Alternative?
Zum einen ist die Baustoffindustrie gefragt, entsprechend emissionsarme Produkte zu entwickeln und auf den Markt zu bringen. Hier, das muss man sagen, ist auch schon viel passiert, obwohl es keine verbindlichen Grenzwerte und noch kein europaweit gültiges Umweltsiegel gibt. Und zum anderen wird es für Bauherren und Sanierer immer wichtiger, Umweltingenieure schon während der Planungsphase ins Boot zu holen und diese Fragen mit zu berücksichtigen.
Das bedeutet aber Mehraufwand und zusätzliche Kosten, oder?
Das kommt darauf an. Immer mehr Planer und Architekten öffnen sich für Fragen des gesunden Bauens und es gibt bereits viele entsprechende Produkte am Markt. Und der Aufwand, die Baustoffe nach den entsprechenden Kriterien auszuwählen, gegebenenfalls vorab zu testen, die Verarbeitung auf dem Bau zu begleiten und am Schluss das Ergebnis zu messen, zahlt sich am Ende aus.
Liegt es allein an den Baustoffen oder spielt auch die Verarbeitung eine Rolle?
Mit entsprechenden Vorschlägen zur Konstruktion lässt sich ebenfalls viel erreichen. Es macht schon einen Unterschied, ob eine Fußleiste geklebt wird oder geschraubt. Und das ist nur ein kleines Beispiel.
Heißt das, man setzt am besten nur auf Stahl, Glas und Beton, die wenig Schadstoffe emittieren?
Das würde ich so nicht sagen. Wie schon erwähnt, gibt es genügend Baustoffe, von denen keinerlei Gefahr ausgeht, weil sie kaum Emissionen abgeben, und die man bedenkenlos verbauen kann. Wichtig sind nur ein baubegleitendes Schadstoffmanagement und eine fachgerechte Verarbeitung. Es sorgt dafür, dass am Ende ein gutes Ergebnis erzielt wird.
Was heißt das für die Zukunft des Bauens?
Ich denke, man muss das Bauen ganzheitlich und von Fall zu Fall betrachten, also nicht nur die Energieeinsparung in den Vordergrund stellen. Wir erleben das gerade bei der Sanierung einer Villa aus den 1960er-Jahren, die baulich in einem relativ guten Zustand ist. Soll man ein solches Haus wirklich mit einer Wärmedämmung versehen, die in der Herstellung vielleicht deutlich mehr Energie verbraucht, als dieses Gebäude in seinem verbleibenden Lebenszyklus einsparen kann? Bei der Planung spielen also zunehmend auch ökologische Faktoren eine große Rolle. Letztlich ergibt sich nur durch das Zusammenspiel aller planerischen Aspekte ein harmonisches Bauergebnis.